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Sensation perfekt – Junger Elfen-Jahrgang gewinnt Deutsche Meisterschaft

60. Minute, der Favorit Blomberg-Lippe wankt und setzt alles auf eine Karte. Doch auch die offene Deckung kann das Team von Kerstin Reckenthäler nicht mehr aus der Erfolgsspur bringen. Kapitänin Anna Seidel dribbelt sich durch die blau-gekleideten Lipperinnen und trifft zum 28:26 – die Entscheidung. Blombergs Beste, Denise Großheim, kann mit ihrem achten Treffer zum 28:27-Endstand lediglich noch einmal Ergebniskosmetik betreiben, doch der Jubel ist auf Seiten der Rheinländerinnen.

Und so gäbe es aus Sicht Leverkusens gleich mehrere Geschichten zu erzählen. Zum Beispiel die von Jessica Jochims und Annika Ingenpaß. Das Duo, einst gemeinsam aus Aldekerk unters Bayer-Kreuz gekommen, zieht es im Sommer bereits in die 3. Liga. Jochims, die „beste Torhüterin des Final 4“ zieht es nach Lintfort, Kreisläuferin Ingenpaß geht als „beste Spielerin des Final 4“ nach Gräfrath. „Wenn nicht jetzt, wann dann?“, wäre wohl ein passender Soundtrack.

Da wäre auch die Jüngste, Anna-Maria Spielvogel. Die gerade erst 16 Jahre alte Flügelspielerin hatte schon in der Qualifikation Leipzigs Michelle Urbicht an die Kette gelegt und trumpfte auch bei der Endrunde groß auf, sowohl im Halbfinale gegen Buxtehude, wie dann auch im Endspiel gegen Blomberg. Allerdings nur 29 Minuten, dann kamen die Zeitstrafen zwei und drei und folglich die Rote Karte. Was war passiert? Spielvogel hatte Blombergs Spielmacherin Kim Wahle gestoppt, die monierte einen Gesichtstreffer und „Spielis“ Einwand die Hände nur gen Ball orientiert zu haben, wurde als „Meckern“ gewertet. Vier Minuten Unterzahl für das Juniorteam, Spielvogel gab trotzdem Gas. Auf der Tribüne schnappte sie sich die Trommel im Elfenfanblock und gab fortan dort den Takt vor.

Und auf dem Feld knüpfte mit Chantal Alof, die von der Länger her kleinste Spielerin im Team, nahtlos an die starke Leistung an, brachte auch Xenia Smits, die beste Feldtorschützin der Handball Bundesliga Frauen, zur Verzweiflung. Und so könnte man ewig weiter machen. Liska Hoffmeister tritt als Deutsche A-Jugendmeisterin in die Fußstapfen ihres Vaters, Shiona Pauly in die ihrer Großmutter – Leverkusens erster Nationalspielerin Wally Fischer.

Auch Elfen-Trainerin Heike Ahlgrimm war live in der Halle Nord vor Ort. Die ehemalige Nationalspielerin hatte in ihrer Vita nicht nur für drei der vier teilnehmenden Vereine gespielt, sondern als Trainerin im Nachwuchs der Bergischen Panther und der HSG Blomberg-Lippe gleich 14 von 28 Spielerinnen schon unter ihren Fittichen. Und da kommen noch Youngster, wie Anna Seidel oder Johanna Heldmann, die schon mal mit dem Erstligateam trainierten und spielten, noch oben drauf.

Rein sportlich war das Final wohl das Beste, was der Nachwuchshandball zu bieten hat. Beide Teams standen die ganze Saison über für Highspeed-Handball, wer nach zehn Minuten (8:6) auf die Anzeigetafel blickte und dann noch die guten Abwehr- und Torhüterleistungen berücksichtige, wusste warum. Blomberg verkrampfte, Leverkusen trumpfte in den ersten 30 Minuten auf und zog auf sechs Tore (18:12) davon.

Auch nach Spielvogels Roter Karte hielt man dem Druck der Lipperinnen zunächst stand, hielt den Gegner bei fünf Toren Vorsprung. Doch dieses Finale ging an die Substanz. Umso wichtiger die Unterstützung, die von den Ersatzspielerinnnen, der mit einer Handverletzung ausfallenden Johanna Stockschläder und den Fans von beiden Längsseiten kamen. Blomberg kam heran, 24:20, 25:22 – Auszeit Bayer. Noch einmal erhöhte das Juniorteam den Druck und hätte Liska Hoffmeister die Chance zum 27:22 genutzt, wäre das womöglich schon die Entscheidung gewesen.

So wurde es noch einmal spannend und zwar so, wie es in den beiden Ligapartien der Regionalliga West schon war. Leverkusen hatte in Blomberg knapp mit einem Tor die Nase vorne, im Rückspiel war es anders herum. Jochims im Zusammenspiel mit ihrer Abwehr war einmal mehr die Trumpfkarte, die Bayer spielte. Blomberg benötigte vier Anläufe, um dann doch durch Smits zum Anschlusstreffer zu kommen. Aber vorne war es nun Anna Seidel, die als Captain die Verantwortung übernahm, erst zum 27:25 und dann mit dem unwiderstehlichen Solo-Lauf zum 28:26. Großheims finaler Treffer fünf Sekunden vor dem Ende interessierte schon nicht mehr, die „kleinen Elfen“ hatten längst zum Jubeln angesetzt.

Bleibt als letzte Geschichte noch die Frage nach dem Soundtrack dieser Handballsensation, die ohne eine Spielerin des „alten A-Jugend-Jahrgangs“ 1994 geschafft wurde. „Give me everything tonight“ von Pitbull wird eindeutig die Nummer 1 sein, denn das Lied begleitete die Mannschaft in den letzten Jahren bei vielen Turnieren, dem Heimerfolg gegen Leipzig und eben auch zum Beginn des Aufwärmens vor dem Endspiel in der Halle Nord. „Gib mir alles heute“, hatte sich Trainerin Kerstin Reckenthäler – vor zehn Jahren als Spielerin in Trier Deutscher Meister – beim Hallensprecher vor der Partie gewünscht und ihr Team gab ihr alles.

Bayer Leverkusen – HSG Blomberg-Lippe 28:27 (18:12)

Leverkusen: Jochims, Gerken
Ingenpaß 6, Seidel 5, Lilienthal, Ruthenbeck, Alof, Spielvogel 2, Rodehau, Heldmann 4, Adams 5, Pauly, Hoffmeister 6, Teixeira da Silva

Blomberg: Romeike, Becker
Smits 6, Wahle 6, Ostermann, Nelissen, Großheim 8, Haider, Kamann 3, Kerwin, Reiche, Bickel 1, Janda 1, Petersen 2

Strafminuten: 10/6
Disqualifikation: Spielvogel (29., dritte Zeitstrafe)